Freiheit, Wecker! | Von Alexa Rodrian

Freiheit, Wecker! | Von Alexa Rodrian


In einem offenen Brief konfrontiert eine ehemalige Weggefährtin Konstantin Wecker mit seinem Schweigen zu brisanten politischen Themen und zur Verweigerung des Dialogs mit Andersdenkenden.
Ein Kommentar von Alexa Rodrian.
Älter ist er zwar — wie wir alle — geworden, aber so mancher Beobachter findet, dass Konstantin Wecker nicht mehr der Alte ist. Der Liedermacher war der Sänger der Freiheit schlechthin gewesen. 2020, als ihn die Freiheit am dringendsten gebraucht hätte, tauchte er jedoch im Corona-„Mainstream“ unter und brach den Kontakt zu langjährigen Mitstreitern ab, weil diese sich kritisch zur herrschenden Politik geäußert hatten. Begründet wurde dies mit einem einseitig verstandenen „Kampf gegen rechts“, der sich nicht gegen eine übergriffige Regierung, sondern gegen deren Gegner richtete. Für nicht wenige frühere Verehrer Weckers brach damals eine Welt zusammen. Sie verstanden ihr ehemaliges Idol nicht mehr. Und das ist ein Phänomen, welches sich nicht auf diesen einen Künstler beschränkt. So viele Menschen haben in den letzten Jahren Vorbilder verloren, die lange als wackere Kämpfer gegen jedes Unrecht aufgetreten waren. Um politische Inhalte geht es der Autorin dieses Beitrags aber gar nicht so sehr. Die Gefährlichkeit des Coronavirus etwa kann man so oder so bewerten. Aber über Meinungsunterschiede kann man ja reden, und Konstantin Wecker war immer ein Mann des lebendigen Dialogs, der Provokation, ja der Unkorrektheit gewesen. Was Alexa Rodrian schockierte, war die allgemeine Gesprächsverweigerung seitens des Liedermachers, die Abwendung oft ohne Abschied, das beharrliche Schweigen zu Themen, zu denen engagierte Künstler jetzt am allerdringendsten Nein sagen müssten: vom Abbau der Demokratie und dem Schwinden der Redefreiheit bis hin zum verheerenden Gaza-Bombardement. Dieser offene Brief ist zwar eine deutliche Kritik, jedoch auch eine ausgestreckte Hand: die Bitte, den Dialog wieder aufzunehmen.
Lieber Konstantin,
dein Buch „Die Kunst des Scheiterns“ reflektiert für mich einen Menschen, der imstande ist, kritisch auf sein Selbst zu blicken, und deshalb erlaube ich mir, dir diesen öffentlichen Brief zu schreiben.
Ich will dich erreichen, dir Fragen stellen, mit dir sprechen, in einen zugewandten Diskurs mit dir gehen. Und unsere seinerzeit gemeinsam gegangenen Wege lassen mich hoffen, dass du verstehst, warum ich dich hier sozusagen auffordere, doch noch einmal genauer hinzuschauen, was mit uns und einigen anderen deiner Kollegen und Wegbegleiter in den letzten Jahren geschehen ist.
Hierzu ist es leider unabdinglich, dass ich weiter aushole, und ich möchte dich daher um einen Moment deiner Zeit bitten.
Vor ein paar Monaten waren wir, so wie auch du, in Bremen; du hast ein Konzert in der „Glocke“ gegeben und wir in einer spanisch-albanischen Fußballvereinskneipe. Es war einer von den vielen neuen Auftrittsorten in unserem Leben, ein wenig bizarr, aber trotzdem schön; mehr dazu später.
Früher hätten wir uns wahrscheinlich getroffen, backstage oder in irgendeiner Kneipe bei Chablis und Bier, um über das Leben zu philosophieren, politische Diskurse zu führen, voller Emotion und Idealismus, meist eine Idee, immer ein gemeinsames Ziel — einig waren wir uns, für so lange Zeit…
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Bildquelle: GBJSTOCK / shutterstock
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