Ein Standpunkt von Wolfgang Effenberger.
Trotz weitestgehend gemeinsamer Herkunft aus dem Mutterland England waren die Bewohner der britischen Kolonien in Nordamerika im Jahr 1763 – wirtschaftlich und politisch betrachtet – kein homogenes Volk.(1)
Die 1,6 Millionen Einwohner der 13 britischen Kolonien einte der gemeinsame Kampf gegen äußere Feinde – Indianer und Franzosen – und die wechselseitigen Beziehungen im wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen und geistigen Bereich. Unterschiede bestanden zwischen den drei großen Siedlungsregionen. Während sich in den nördlichen Kolonien der freibäuerliche Besitz entwickelte, waren die Mittelkolonien(2) mehr aristokratisch und handelskapitalistisch geprägt. Dagegen produzierten die Südkolonien(3) auf den Plantagen der Großgrundbesitzer mit Hilfe der Sklaven und auch der weißen Zwangsarbeiter die typischen »Kolonialwaren« – Tabak, Reis, Weizen, Indigo und Baumwolle.
Beträchtlich waren jedoch die Unterschiede zwischen den Kolonisten der Ostküste und den Grenzsiedlern sowie den Wohlhabenden und der breiten Masse. Während die „Whigs“ von 1680 bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts Gegner der konservativen und monarchietreuen Tories im britischen Parlament waren und in den nordamerikanischen Kolonien parlamentarische Provinzregierungen forderten, strebten die „Tories“ eine autoritäre Regierungsform an. Doch in den Kolonien dürfte alle das Streben nach größtmöglicher individueller Freiheit geeint haben.
Der 1763 beendete „Indian War“ – in Deutschland auch als „Siebenjähriger Krieg“ bezeichnet(4), hatte auf der einen Seite das Selbstbewusstsein der britischen Kolonisten erhöht, auf der anderen Seite aber England tief in Schulden gestürzt. Im Vergleich zum britischen Bürger in Europa belief sich die Steuerlast eines britischen Kolonisten nur auf ein Fünfzigstel.(5) Um hier einen Ausgleich zu schafften, verabschiedete das Parlament in London 1764 unter anderem das „Zuckergesetz“ (Sugar Act). Eine lange Liste von Waren folgten.
Den größten Stein des Anstoßes verspürten führende Kolonisten demnach in der Präambel des Londoner Steuergesetzes. Darin wurde die imperiale Kontrolle des Mutterlandes über die Kolonien verstärkt. Der Widerstand in Britisch-Nordamerika eskalierte, als am 5. März 1770 im sogenannten „Massaker von Boston“ fünf Zivilisten im Verlauf einer Auseinandersetzung zwischen Kolonisten und britischen Soldaten getötet und umgehend zu Märtyrern erklärt wurden.
Die „Encyclopaedia Britannica“, eine 1768 begründete englischsprachige Enzyklopädie, gibt den Vorfall heute emotionsfrei wieder: „Der Zwischenfall war der Höhepunkt einer Serie von Schlägereien, in welchen die örtlichen Arbeiter und Seeleute mit den in Boston einquartierten Soldaten zusammenstießen. Verfolgt von einer Bande, eröffneten die Soldaten das Feuer. Crispus Attucks, ein Seemann und früherer Sklave, wurde als erster niedergeschossen. […] Samuel Adams erwies sich als geschickter Propagandist des Tages, schlau stilisierte er den Zwischenfall als einen Krieg für die amerikanische Freiheit“.(6)…
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Bildquelle: Victor Moussa / Shutterstock
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