Über den größten Fälschungsskandal in der Physik der letzten 50 Jahre
Ein Standpunkt von Anke Behrend.
Jan Hendrik Schön, geboren im August 1970 in Verden an der Aller, entwickelte sich in den späten 1990er-Jahren zu einer der vielversprechendsten Persönlichkeiten in der Nanotechnologie und Festkörperphysik. Nach seinem Studium an der Universität Konstanz promovierte er 1997 zum Thema Solarzellen. Obwohl er nicht die erhofften Ergebnisse erzielen konnte, erhielt er das Prädikat »magna cum laude« (1). Hendrik Schön galt als fleißig, diszipliniert, bescheiden und durchschnittlich begabt. Nichts deutete darauf hin, dass er wenige Jahre später im Zentrum der internationalen Aufmerksamkeit stehen und den gesamten Wissenschaftsbetrieb sowie das Ansehen eines namhaften Forschungsinstituts nachhaltig erschüttern würde.
„Schön war der Einzige, der zu diesem Zeitpunkt gerade fertig war, und so habe ich ihn den Bell Labs vorgeschlagen.“ — Ernst Bucher (2)
Nach seiner Promotion an der Uni Konstanz trat Schön im Sommer 1998 ein Praktikum in den USA bei den ehrwürdigen Bell Labs an, wo er von seinem Doktorvater, dem Konstanzer Photovoltaik-Experten Ernst Bucher (3), als bester Student und „Nummer eins“ angekündigt worden sein soll. Tatsächlich war er allerdings der Einzige, der gerade zur Verfügung stand. Und so ergriff er die Chance seines Lebens (2).
Unter hohem Erwartungsdruck arbeitete Schön bald in New Jersey als Mitarbeiter in einer Forschungsgruppe des Festkörperphysikers Bertram Batlogg (4), einem ehrgeizigen „Hans Dampf in allen Gassen“, der zu diesem Zeitpunkt unter anderem eine Professur an der ETH Zürich innehatte. Batlogg hatte sich zum Ziel gesetzt, die herkömmlichen, auf Silizium basierenden Halbleiter durch kohlenstoffbasierte zu ersetzen und damit den Markt für Nanotechnologie zu revolutionieren – versprachen doch diese organischen Halbleiter viel kleinere Bauweisen, weniger Wärmeentwicklung und würden die Elektronik revolutionieren. Sogar Transistoren auf Molekülebene sollten möglich sein.
Die Bell Labs, gegründet 1925 als Forschungs- und Entwicklungsarm der American Telephone and Telegraph Company (AT&T) und benannt nach dem Erfinder des Telefons – dies ist strittig, aber eine andere Geschichte –, diese Bell Labs also waren seit vielen Jahrzehnten ein weltweit führendes Zentrum für Hightech und Physik. Als eines der wenigen nicht-universitären Forschungszentren standen sie auf der Liste der meisten Nobelpreisträger recht weit vorn. Sie zeichneten verantwortlich für die Erfindung des Transistors, der 1947 von John Bardeen, Walter Brattain und William Shockley entwickelt worden war. Alle drei Forscher erhielten 1956 den Nobelpreis für Physik. Ebenfalls in den Bell Labs entwickelte Claude Shannon die Informationstheorie. Arno Penzias und Robert Wilson entdeckten die kosmische Hintergrundstrahlung und wurden dafür 1978 mit dem Nobelpreis ausgezeichnet. Auch das legendäre Betriebssystem UNIX stammt aus den Bell Labs. Mittlerweile wurden für die in den Bell Labs durchgeführten Forschungsarbeiten zehn Nobelpreise und mehrere Turing Awards verliehen (5).
Während seiner Jahre bei den Bell Labs, wo er bald die ersehnte Festanstellung erhielt, wechselte Hendrik Schön wegen fehlender Visa mehrfach zwischen den USA und Konstanz hin und her und betrieb auch in Konstanz ein Labor mit eher bescheidener Ausstattung. Dort erledigte er einen großen Teil seiner Forschungsarbeit. Bald stellten sich erste spektakuläre Erfolge ein. Schön lieferte einen sensationellen Durchbruch nach dem anderen und erfand im Handumdrehen alles, was sein Teamleiter Bertram Batlogg auf der Liste hatte: den Hochtemperatur-Supraleiter, den organischen Laser und den Transistor in der Größe eines einzigen Moleküls. Sogar im Bereich des Quanten-Hall-Effekts (6), einem physikalischen Phänomen, das bei sehr niedrigen Temperaturen auftritt und dabei hilft, den Widerstand eines Materials in Stufenform zu bestimmen, gelangen dem deutschen Wunderwuzzi außerordentliche Entdeckungen. Und so publizierte Schön allein 2001 sensationelle 17 Paper in den zwei renommiertesten Wissenschaftsjournals der Welt, Nature und Science…
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Bildquelle: CI Photos / shutterstock
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